untitled (ein Totentanz)

Ausstellungsansicht: © Dominique Uldry, Kunsthalle Bern
Einzelfotos: © Martin Wiesli
(Triptychon verfügbar, CHF 19’000.–)
Anfragen an: kontakt ( a t ) agentur-des-sterbens.ch

Im Herbst 2009 legte eine archäologische Ausgrabung auf den mittelalterlichen Galgenfeldern von Bern ein düsteres Kapitel der Stadtgeschichte frei: Über 40 Skelette junger Männer, kaum älter als 25 Jahre, lagen in Einzel- und Massengräbern. Die meisten waren bäuchlings bestattet, mit gefesselten Händen, übereinandergeschichtet — kein sanftes Geleit, sondern ein grausames Finale.
Ich erhielt die Erlaubnis des archäologischen Dienstes, den Fundort zu besuchen und Skizzen anzufertigen. Die Knochen waren zerbrochen, verwittert, gefurcht von Folter und Zeit. Sie erinnerten mich weniger an anatomische Lehrsammlungen als an kubistische Formen: ornamental, aufgebrochen, fast tanzend in ihrem zerfurchten Schweigen.

In Bern ist der Totentanz tief verwurzelt — ein unendlicher Reigen, in dem die Lebenden und die Toten einander die Hand reichen. Der berühmte Berner Totentanz, ursprünglich von Niklaus Manuel (1516–1519) geschaffen, zeigt Skelette, die mit Menschen aller Stände tanzen. Die Lebenden starren, gelähmt, während die Knochen mit wildem Rhythmus führen.
Mir war diese europäische Tradition fremder als die satirischen Werke von José Guadalupe Posada aus Mexiko. Seine tanzenden Skelette — allen voran „La Catrina“ — sind keine moralischen Mahner, sondern spöttische Begleiter. In Mexiko ist der Tod nicht tabu, sondern ein Gefährte, dem man mit Farbe, Lachen und Blumen begegnet.
Die Gebeine der „armen Sünder“ von Bern ruhen heute in einer klimatisierten Kammer des Archäologischen Dienstes der Stadt Bern. Doch in meinem Triptychon steigen sie noch einmal auf: auf rohem Leinen tanzen die gezeichneten Formen übereinander, fordern die Ewigkeit heraus, lachen, spotten, feiern.
Sie haben den Sprung geschafft — aus dem Erdloch hinein in den kühlen Stahl, aus der Verdammnis in ein neues, still lächelndes Dasein.
